Kaum eine Story scheint meine Facebook Timeline gerade mehr zu interessieren, als der Etiketten Skandal für den der Discounter Primark mal wieder den Kopf hinhalten muss. Eine britische Kundin des irischen Moderiesen fand in ihrem Kleidungsstück, genauer gesagt am Etikett, eine Inschrift mit der Botschaft „Forced to work exhausting hours“. Zu deutsch „gezwungen stundenlang bis zur Erschöpfung zu arbeiten“. Die Nachricht geht um die Welt und zieht eine wilde Spekulation nach der nächsten mit sich.
Eigentlich wollte ich mich zu dieser Geschichte hier überhaupt nicht äußern. Nicht weil es mich nicht interessiert, sondern viel mehr, weil es für mich keine großartige Neuigkeit ist. Ich weiß, unter welchen Produktionsbedingungen in Indien, Bangladesh und auch China gefertigt wird. Beim Blick auf den Einkaufspreis, den Unternehmen für ihre Kleidung zahlen, kann das auch gar nicht anders der Fall sein. Was mich aber dazu bringt, hier nun doch über die Story zu berichten und meinen Senf dazu zu geben ist einzig und allein Wut und Entrüstung.
Ob es wirklich eine indische Näherin war, die versucht hat mit einer winzig kleinen Botschaft auf sich aufmerksam zu machen? Ich kenne die Wahrheit nicht. Vielleicht war es auch ein Gegner für Massenanbieter oder gar ein Konkurrent? Es ist nichts bewiesen. Es gibt nicht handfestes, aber die Presse schmeißt nur so mit dieser Schlagzeile um sich. „Britin findet Hilferuf einer Näherin im Billigfummel von Primark“ oder „Primark-Kundin geschockt über Botschaft von Näherin“. Auf eine Stellungnahme von Primark müssen wir wohl oder übel noch ein wenig warten, denn der Textilriese möchte das Kleidungsstück zunächst untersuchen. Fraglich ist zudem ob eine Näherin in einem Entwicklungsland das Schreiben und die englische Sprache beherrscht.
EDIT: Primark gibt am Abend des 27. Juni 2014 eine Pressemitteilung heraus in der sie nach ihren Ermittlungen bestätigen, dass es sich bei den Etiketten von einem Kleid und einer Hose aus dem Store in Swansea um eine Fälschung handeln muss. Bezüglich der Hose aus einem Store in Belfast vom Jahr 2009 laufen die Ermittlungen hingegen noch und es wird untersucht, ob es eine Verbindung zu den anderen Etiketten gibt.
Prinzipiell finde ich es natürlich gut, dass die deutschen Medien über diese Geschehnisse berichten und so uns, die Konsumenten, darauf aufmerksam machen. Allerdings hat sich das Ganze mittlerweile in eine falsche Richtung entwickelt. Es sollte eigentlich eine Rebellion gegen schlechte Produktionsbedingungen geben. Nicht gegen Primark allein. Patricia hat das Ganze auch direkt einmal ganz passend formuliert: Sündenbock Primark. Mit Sicherheit kann der Discounter mit seinen Preisen den Arbeitern nicht mehr als den Mindestlohn zahlen, aber hier sollten alle dafür gerade stehen.
Wer denkt, dass andere Modeketten besser sind – Fehlanzeige! Als kleines Beispiel möchte noch einmal an die größte Katastrophe der Textilindustrie erinnern, als 2013 das Rana Plaza Gebäude in Bangladesh einstürzte. Dort produzieren ließ nicht nur der irische Discounter, sondern auch Unternehmen wie Mango, Inditex (Zara, Bershka & Co), C&A, H&M, sowie Benetton, Gap und auch Debenhams. Wenn man sich dann einmal die eingetroffenen Hilfszahlungen anschaut, ist Primark sogar noch der Produzent, der die höchsten Zahlungen an die Betroffenen fließen ließ, wohingegen von Anderen kein einziger Cent zu sehen war.
Was ich damit sagen möchte? Man sollte nicht voreilig Schlüsse ziehen und ich erwarte von meinen Mitmenschen ein wenig mehr Investigation. Man kann nicht einfach sagen „Oh, jetzt gehe ich nicht mehr bei Primark einkaufen.“ und damit ist die Welt wieder heile. Ob du ein Shirt für 6 Euro bei Primark, eines für 10 Euro bei H&M oder sogar für 60 Euro bei Abercrombie&Fitch kaufst – der Preis rechtfertigt nicht unbedingt, dass die Produktionsbedingungen besser sind, weil dieser höher ist. Und deswegen glaube ich, dass viele Menschen da draußen, es sich hier heute, gestern und vorgestern mal wieder ein wenig zu einfach gemacht haben.
Was denkt ihr zu der Geschichte? Ich freue mich auf euer Feedback!
Patricia
Hahaha, herrlich wenn man interessiert den Artikel liest und dann plötzlich der eigene Name auftaucht. :D Sehr schön geschrieben. Würde ich auch so unterschreiben. Wenn ich meine Facebook-Timeline sehe, wird mir ganz schlecht.
Ally
PatriciaLieben Dank! Ja, ich war vorhin auch so froh, als ich deinen Artikel gesehen hatte und du meine Meinung teilst!
Martina
Ich finde du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Jeder weiß eigentlich dass das meiste unserer Kleidung nicht fair produziert wurde. Über jeden den das noch wundert muss mal wirklich den Kopf schütteln. Man kann nicht erwarten, dass alle nur noch „Okö-Klamotten“ kaufen, aber vielleicht ein bisschen bewusster mit dem Thema umzugehen täte jedem gut. Ich überlege mir inzwischen länger, ob ich ein Teil wirklich brauche und oft bin ich auch ohne glücklich.
Ally
MartinaVielen Dank liebe Martina. Ich war gestern zum Beispiel im Sale unterwegs und danach sogar ein bisschen verständnislos darüber, dass ich so wenig gekauft hatte, obwohl ich eigentlich drei Tüten mein Eigen nennen konnte. Ich glaube einfach, dass unser Shoppingverhalten durch die immer niedrigen Textilpreise in den letzten Jahren völlig umgekrempelt wurde und eine Reduzierung dessen nun natürlich nicht so einfach ist. Wie du schon sagst, alleine wenn wir uns von nun an drei Mal überlegen, ob wir etwas kaufen oder nicht, ist schon viel getan.
Laura
Ich finde du hast da vollkommen recht,
ich meine es gibt so viele Artikel, wo auch immer und immer wieder steht “ Es ist Näherin XY völlig egal, ob sie nun für Hugo Boss oder Primark näht, mehr verdient sie trotzdem nicht. “
Selbst letzte Woche erreichte mich der Satz neben den Nachrichten über Primark von einer Freundin “ Genau deswegen kaufe ich nicht bei Primark, sondern bei Esprit ein. “
Ja.. dann ging die Diskussion zwischen uns auch schon los..
Laura <3
Ally
LauraGenau das ist der Fehler von der Allgemeinheit. Qualität am Preis festzumachen. Ich hoffe, dass diesen Menschen so langsam die Augen geöffnet werden.